Energieversorger erschließen mit Softwarelösungen von Seven2one neue Dienstleistungen für das Energiemanagement im smarten Quartier. Wie das genau geht, erklärt Geschäftsführer Dr.-Ing. Christoph Schlenzig im Interview mit dem Fachmagazin energiespektrum auf der E-world 2019.
Wie engagiert sich Ihr Unternehmen im Bereich Quartiersversorgung?
Seven2one entwickelt Software, um die Geschäftsmodelle rund um die Quartiersversorgung und das Smarte Quartier zum Fliegen zu bringen. Dabei liegt unser Fokus auf Backend-Anwendungen, die das Management von Strom, Wärme, Mobilität und Speicher übernehmen – von der Systemoptimierung bis hin zur einer Kundenrechnung für alle Dienstleistungen.
Wenn man die Energiewende zu Ende denkt, muss sich die Installation an PV- und Windkraftanlagen für die Stromerzeugung noch verdoppeln, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Die Energiewende muss in die Fläche gehen, dorthin, wo die Verbraucher sind, nämlich in die Städte. Dabei muss die Versorgung mit Strom, Wärme und Elektromobilität integriert gedacht werden. Betrachtet man nur den Stromverbrauch isoliert, gelingt es nicht, eigenerzeugten Strom komplett selbst zu verbrauchen. Bezieht man dagegen den Bedarf an Wärme und E-Mobilität mit ein, kann der größte Teil des PV-Stroms direkt lokal im Haus genutzt werden. Der Warmwasserspeicher meiner Heizung und die Batterie meines Elektroautos eignen sich zudem ideal als Speicher für den fluktuierenden PV-Strom.
Die Steuerung von Waschmaschine, Trockner, Geschirrspüler und Kühlschrank dagegen wird sich nicht durchsetzen: sie bringt wenig und greift zu stark in Benutzerverhalten und Komfort ein. Das Energiemanagement geht jedoch nicht von selbst, es muss optimal gemanagt werden. – intelligent und automatisch. Dazu brauchen wir Software, die die Systeme managt, die Interoperabilität gewährleistet und die Abrechnung macht. Genau diese Software machen wir.
Wir übernehmen alle Daten, die nötig sind, um einen Mehrwert zu generieren und ein Geschäft zu machen. Unsere Lösungen haben dabei immer drei Komponenten: das Daten-Backend, die Geschäftsprozesse Energiemanagement, Optimierung und Abrechnung sowie als dritte Komponente ein Web-Portal zur Visualisierung und Interaktion mit den Nutzern. Bei der Visualisierung geht es z.B. darum, den Stromverbrauch darzustellen, den Eigenversorgungsgrad auszuweisen oder Abrechnungen via Endkundenportal abrufbar zu machen. Das besondere an unseren Softwarelösungen ist, dass sie aus standardisierten Funktionsmodulen maßgeschneidert an die Geschäftsprozesse der Stadtwerke angepasst werden.
Bau, Betrieb und Wartung dezentraler erneuerbarer Anlagen beim Kunden ist aus meiner Sicht ein naheliegender Schritt für Stadtwerke zur Erweiterung ihres Dienstleistungsportfolios. Der Kontakt zu den Kunden ist schon vorhanden, ein Vertrauensverhältnis besteht, ein direkter lokaler Kontakt ist möglich. Und ist erstmal mit dem Energiemanagement ein digitaler Kanal zum Kunden etabliert, liegt der Gedanke nahe, das Energie-Geschäft um weitere die Dienstleistungen zu erweitern: Internet, Telefonie, Kabelfernsehen, Mobilitätsdienstleistungen (z.B. Car-Sharing) oder Sicherheitsangebote können zu „Bundle-Angeboten“ geschnürt werden. Das Energiemanagement ist hier sozusagen der Türöffner. Mit solchen individualisierbaren Angeboten „alles aus einer Hand“ kann ein Stadtwerk Kunden binden und sich vom Wettbewerb abheben. Für die digitale Vermarktung solcher Services bietet Seven2one integrierte webbasierte Lösungen an.
… ein Mehrwert, der mit Einzellösungen nicht möglich wäre?
Ja, genau. White-Label-Lösungen sind in der Regel spezialisiert auf einzelne Anlagenklassen bestimmter Hersteller, z.B. für PV-Anlagen, Batterien, Wärmepumpen oder Heizungssysteme. Man braucht daher meistens mehrere solche Lösungen, wenn man unterschiedliche Angebote im Portfolio haben möchte. White-Label-Lösungen sind am Anfang günstig, denn sie skalieren mit der Zahl der Nutzer. Das kann auf die Dauer sehr teuer werden, wenn erfolgreich viele Kunden akquiriert werden. Hinzu kommt, dass diese Lösungen jeweils eine eigene Datenhaltung haben, die oft gar nicht mehr bei den Stadtwerken liegt, sondern in der Cloud des Lösungsanbieters. Die Hoheit über die Daten und eine integrierte Steuerung aller Anlagen sind jedoch der Schlüssel für eine energiewirtschaftliche Optimierung. Deswegen empfehle ich den Unternehmen, die Daten auf jeden Fall zu sich zu holen und an einer zentralen Stelle zusammenzuführen. Erst dann sind sie in der Lage, Mehrwerte zu schaffen bis hin zum gezielten Cross-Selling.
Was meine ich damit? Ein Haushalt mit einer PV-Anlage kann nur einen Teil seines Stroms selbst verbrauchen. Wenn ich seine PV-Erzeugung und sein Lastprofil kenne, kann ich ihm gezielt Batterien anbieten und ausweisen, auf wieviel Prozent er seinen Selbstversorgungsgrad erhöhen kann und welches Geld er dadurch spart. Besitzt er zudem noch ein Elektrofahrzeug, kann ich ihm die besten Ladezeitpunkte ausweisen, um möglichst viel eigenerzeugten PV-Strom zu tanken. Diese Angebote kann ich erst machen, wenn ich die vollständige Hoheit über die Daten habe.
Welchen Stellenwert wird das in zehn Jahren haben?
Ich glaube, dass Lösungen zum integrierten Energiemanagement von PV, Heizung und dem Laden von meinem Elektroauto in 10 Jahren zur Standardausstattung von Einfamilienhäusern gehören. In den Städten wird es wegen der Komplexität von WEGs in Mehrfamilienhäusern und wegen der aktuellen Regulatorik etwas länger dauern. Wenn also der Strom aus PV-Anlagen auf dem Dach deutlich günstiger sein wird als der Strom aus dem Netz, wird ein zweiter Schwung für die Energiewende kommen. Und wer dann die Dreier-Kombination aus PV-Anlage, Heizungsintegration und Ladestation gebündelt mit einem cleveren Energiemanagement anbieten kann, bei dem werde ich einkaufen.
Genau das ist die große Chance für die Stadtwerke. Ein solches Angebot ist eine komplexe Leistung, bei der viele Gewerke ineinandergreifen. Hier liegt die Stärke der Stadtwerke gegenüber den großen Energieversorgern, die überregional denken. Das Stadtwerk ist lokal verankert, kennt die Handwerker und die Situation vor Ort und ist mit seiner lokalen Präsenz auch erster Ansprechpartner beim Thema Energie.
Welche Projekte machen Sie zum Beispiel?
Wir binden aktuell für die Stadtwerke München u.a. Speicherheizungen in eine Energiemanagement-Plattform ein, mit den Stadtwerken Krefeld arbeiten wir an einem virtuellen Kraftwerk für die lokale Energiewende. Zudem waren wir an zwei großen Forschungsprojekten zum Energiemanagement in Arealen beteiligt: Beim Projekt Smart Energy Hub am Flughafen Stuttgart ging es darum, das bestehende System in ein prognosebasiertes Energiesystem, das Erzeugung, Speicher und Verbrauch ganzheitlich optimiert, umzubauen. Das Projekt grid-control mit u.a. der NetzeBW hatte zum Ziel, in einem ländlichen Netz die Flexibilität netzdienlich zu integrieren, um ein Abregeln bei Stromüberangebot zu vermeiden.
Dr. -Ing. Christoph Schlenzig ist Gründer und Geschäftsführer von Seven2one. Seit Oktober 2015 ist er Vorstandsmitglied bei der Smart Grids-Plattform Baden-Württemberg e.V. und engagiert sich im regionalen Energie-Netzwerk fokus.energie und ist im Beirat für die Energiestrategie der TechnologieRegion Karlsruhe.
(Bildquelle: Armin Huber – energiespektrum)
(Headerbild: Armin Huber – energiespektrum)
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